Für die aktuelle Ausgabe der dbz – Donaustadt im Blick durfte ich wieder einmal ein Restaurant im Bezirk kulinarisch testen. Diesmal war ich mit Freunden und meiner Frau Nadine im „Reich der Mitte“ am Eingang des zwischen 1961-1964 errichteten Donauparks in der Arbeiter-Strandbadstraße 122. Der Donauturm ist wohl das bekannteste Wahrzeichen des Donauparks, doch gleich danach kennt wahrscheinlich jeder den chinesischen Tempel mit seinem Turm, den Pagodendächern, umrandet von einer chinesischen Maue. Dahinter verbirgt sich das 1989 von der Volksrepublik China errichtete Restaurant Sichuan inmitten eines 6000 Quadratmeter großen Gartens mit Zierteich und asiatischen Pflanzen – in welchem aber wirklich alles original aus der chinesischen Provinz Szechuan stammt. Damals war der Aufwand enorm und es wurden chinesische Handwerker und Architekten eingeflogen, um den Palast zu errichten. Jeder Ziegel und jede Dachschindel stammt dabei aus dem fernen Osten.
Szechuan oder Sichuan ist eine chinesische Provinz mit mehr als 80 Millionen Einwohnern und wird auch als „Reiskammer Chinas“ bezeichnet. Neben den Pandabären und dem Szechuanpfeffer ist auch die traditionelle, lokale Sichuan-Küche bekannt und genau diese wird hier im Herzen der Donaustadt zelebriert und serviert. Unsere Gastgeberin Frau Chunah Urban-Chao kam vor 50 Jahren nach Wien, um klassisches Klavier zu studieren und dolmetschte dazu für die Stadt Wien. Im Jahr 1998 übernahm sie das traditionelle Restaurant, welches heute Kultstatus in Wien hat, also über die Grenzen des 22. Bezirks hinaus. Das Restaurant hat rund 120 Sitzplätze im Innenbereich als auch im chinesischen Gastgarten. Wir haben an einem großen, runden Tisch mit drehbarer Glasplatte Platz genommen und unsere sympathische Gastgeberin überraschte uns sogleich mit original authentischen kalten Vorspeisen der Sichuan-Küche. Dabei klärte sie uns über interessante kleine Unterschiede in der Etikette auf. Zu Beginn stand sogleich die Frage „Stäbchen oder Besteck“ – natürlich Stäbchen. Aber Achtung! Beim Essen mit Stäbchen wird die Schüssel nahe am Mund gehalten, sonst gilt man als „faul“. Ein anderes Beispiel: Ein Glas darf niemals leer werden, ansonsten erscheint der Gastgeber als unaufmerksam, weil er seinen Gast nicht bedienen kann. Die einzige Ausnahme besteht beim Prosten, denn „Ganbei“ der chinesische Trinkspruch, heißt schlichtweg „austrinken“.
Als Vorspeise wurden uns auf Empfehlung des Hauses folgende Gerichte der Sichuan-Küche serviert: Fu Zhu (Tofuhaut) in Sesamöl, süß-sauer eingelegte Karotten mit Rettich, mit Chili und Bergpfeffer gewürzte Rinderstreifen, kalte Nudeln mit Hühnerstreifen und für die Mutigen unter uns gab es „1000 jährige Eier“. Vielleicht haben Sie den Begriff schon mal gehört, das sind fermentierte Eier mit dunkler Außenhülle – eine wahre chinesische Delikatesse. Zur Herstellung werden rohe Enteneier für drei Monate in einem Brei aus Anis, Teeblättern, Szechuanpfeffer, Piniennadeln, Salz, warmen Wasser, gebranntem Kalk, Holzasche und Sägespäne (!) eingelegt. In dieser Zeit verwandelt sich das Eiklar in eine gelatinöse, bernsteinfarbene Masse. Das Eigelb bekommt dabei eine topfenartige Konsistenz und verfärbt sich Grün. Die Eier sind monatelang haltbar und haben einen angenehmen zitronenartigen Geschmack. Als Zwischengang wurde uns eine typische säuerlich-pikante, chinesische Nudelsuppe serviert. Auch hier besagt ein chinesisches Sprichwort: „ Je länger die Nudeln, desto länger das Leben“. Nach einer hervorragenden Weinempfehlung des Hauses und weiterer interessanten Geschichten und Erzählungen unserer Gastgeberin rund um das Lokal und seine Entstehung ging es mit den warmen Hauptspeisen weiter. Alle Gerichte werden von sogenannten Meisterköchen der Provinz Szechuan mit viel Liebe zum Detail, etwa wie mit Gemüseschnitzereien, zubereitet.
Die geschmacklich interessanten Hauptspeisen waren unter anderem ein süß-saurer Viktoriabarsch gebacken in Form von Chrysanthemen. Oder ein trocken gebratenes „Ganbian“-Rindfleisch, geschnetzelt nach würziger Sichuan-Art: Außen herrlich knusprig und innen zart-weich. Geflügelliebhaber kamen auch auf ihre Kosten: Mit einer in Tee geräucherten Ente, gebacken und garniert mit chinesischen Brötchen, Entensauce und klein geschnittenen Jungzwiebeln und traditionellen „Chop Suey“, dazu gebratenes und in Scheiben geschnittenes Hühnerfleisch mit würzigem Gemüse. Zu den Gerichten wurde Jasminreis und gebratenen Nudeln mit Gemüse serviert. Bevor unsere Gastgeberin wieder den Tisch verlassen hat, haben wir Folgendes erfahren: Wenn sich ein Chinese vorzeitig von einer Gesellschaft verabschieden muss, so entfernt er sich still und leise, ohne zu stören. In Österreich würde das sicher falsch verstanden werden, wenn sich jemand ohne Verabschiedung und Dank zu sagen einfach entfernt. Obwohl wir wirklich sehr satt waren, haben wir noch ein typisch chinesisches Dessert probiert: Es gab flambiertes, gebackenes Eis und Früchte.
Alles in allem war es ein wirklich schöner Abend mit hervorragenden, geschmacklich interessanten Gerichten auf hohem Niveau. Ein gemütliches Haus mit freundlichem Personal und viel chinesischer Tradition und Geschichte. Wir kommen sicher gerne wieder!
Mahlzeit und bis zum nächsten Ma(h)l,
Euer Soberl
Infos:
China Restaurant Sichuan
Arbeiterstrandbadstraße 122
1220 Wien
Tel.: 01/2633713
Mail: info@sichuan.at
Öffnungszeiten: Mo-Fr von 11:30 – 14:30 und 17:30 – 23:00 Uhr | Sa, So, Feiertag durchgehend geöffnet. Großer Gästeparkplatz vorhanden!