Winterfreuden anno dazumal!

Ich habe für unsere historisch interessierten Leser/innen wieder ein wenig in den Annalen der alten Donaustadt gestöbert und konnte dabei auch einige „Wintergeschichten“ entdecken. Garniert wird unser Spaziergang durch die damalige Winterlandschaft mit vielen Fotos voller Eis und Schnee. Aufgrund lang anhaltender Minusgrade (bis -29°) war die Donau Anfang 1929 von der Wachau bis Ungarn vollkommen zugefroren. „Wann wird’s mal wieder richtig Winter, ein Winter wie er früher einmal war?“ Na gut, Sie haben schon recht, der Winter muss ja nicht unbedingt mit -29° aufwarten. Es würde schon genügen, wenn unsere Kinder wieder einmal eine Alte Donau voll mit Eisläufern erleben oder auch nur etwas öfter im Schnee spielen könnten. Also, wie sah denn hierzulande oftmals ein richtiger Winter aus?
„Friedlich liegen die Auen unter einer dicken, glänzenden Schneedecke begraben, dazwischen blitzt das Eis auf den gefrorenen Donauarmen“ – so idyllisch präsentierte sich die heutige Donaustadt vor über 100 Jahren – zumindest in den Büchern von Chronisten und Literaten. „Die wenigen Häuser des Dorfes Stadlau waren mit Schnee bedeckt, der sich hoch auf den schindelüberdeckten Dächern türmte. Die Feldwege und Landstraßen zu den größeren Ortschaften Kagran, Hirschstetten und Aspern waren vom Sturmwind verweht“, schreibt die Stadlauer Historikerin Gertrude Kisela-Welser.

Vom „Schleifen“ zum Eislaufen
Neben den professionellen Eisschneidern zur Natureisgewinnung „schnitten“ auch die sportbegeisterten Wiener – allerdings mit ihren Kufen – in das blanke Eis der Gewässer. Schließlich hat Schlittschuhlaufen hierzulande eine lange Tradition. Schon vor der zweiten Türkenbelagerung, 1683 unternahm der eine oder andere erste Eislauf-Schritte auf der spiegelglatten Fläche. Auch wenn es vorerst nur Gassenjungen waren, die an solchen „vulgären“ Vergnügungen ihre Freude fanden. Nach und nach wurde das „Schleifen“ – wie das Schlittschuhlaufen genannt wurde – salonfähig. Sehr zum Gaudium der Zuschauer, wie der Wiener Lustspieldichter Perinet 1788 zu berichten wusste: „Nichts ist angenehmer, als wenn ein bepuderter Stutzer [Modenarr] sich ein Loch in den Kopf schlägt, und uns zum erstenmale überzeugt, daß er einen habe, oder die weibliche Schlitte umstürzt, und dem Männerauge so viel zeigt, daß sie mitten im Eise lichterloh brennen.“ Auch wenn heute niemand mehr beim bloßen Anblick ein paar bestrumpfter Frauenbeine „lichterloh brennt“, darf man den Zeitgenossen von anno dazumal Glauben schenken, ist eines unverändert geblieben: „Hip“ war und ist bei der Jugend, möglichst viele Kunststücke auf der glatten Fläche zu vollbringen: „Sie kehrten sich um, während des Hinausgleitens, hocken sich nieder und erheben sich wieder, fahren einander unter den ausgespreizten Beinen durch und springen über Hindernisse…“, schildert Ottokar Tann-Bergler Anfang des 19. Jahrhunderts in den „Wiener Guckkastenbildern“. – Heute tauscht die Jugend das (zumeist nicht vorhandene) Eis allerdings gegen hochmoderne Skateranlagen. Hatte man zunächst vorzugsweise in der Stadt, wie auf dem Belvedere-Teich oder dem Stadtgraben, der neuen Sportart gefrönt, wurden mit der Zeit auch die Donau- und Praterauen bis hin nach Kaisermühlen ein beliebtes Ziel der Schlittschuh laufenden Gesellschaft.

Auch wenn es hier zunächst ein verbotenes Vergnügen war: Allerorts prangten an den Gewässern Tafeln mit der Aufschrift: „Das Baden im Sommer und das Schlittschuhlaufen im Winter ist verboten.“ Wer sich diesen Freuden dennoch hingab, musste sogar mit „Arretierung“ rechnen. Aber wie so oft haben gerade die verbotenen Vergnügen einen besonderen Reiz, wie Franz Biberhofer, der Sekretär des ersten Wiener Eislaufvereins 1906 schrieb: „Zu Beginn der 1860er-Jahre, da konnte man an klaren, kalten Wintertagen junge Männer – gewöhnlich einzeln – den bereiften Praterauen zustreben sehen, die damals noch von einem Labyrinth von Wasserläufen durchzogen, in ihrer ganzen ernsten Urpracht zu den wenigen sprachen, die sich rühmen konnten, sich in dieser herrlichen Wildnis zurechtzufinden. Hatten zwei denselben Weg genommen und waren es nicht Freunde, so trennten sie sich und Mißtrauen gegen den anderen lag in ihren Blicken, denn jeder von ihnen wollte alleine sein. Jeder wußte einen Pfad, von dem er glaubte, daß ihn wenige nur kennen, und führte ihn an ein stilles Wasser, das einsam dalag wie ein Weiher, und auf dem Wasser lag eine Eisdecke.“ Noch im 19. Jahrhundert fiel aber auch diese Schikane und die schlittschuhfreudigen Wiener durften und dürfen nun ganz legal auf den Gewässern der heutigen Donaustadt ihre Runden ziehen. Aber auch nur, wenn sie wirklich wieder einmal ordentlich zufrieren…

Die Eisgewinnung
Bereits um 1872 begann man in der Donau – nach der Regulierung 1875 die Alte Donau – beim Franz Josefs Land (Kaisermühlen) im großen Stil Eis zu gewinnen. Verantwortlich dafür war die Zunft der Eisschneider. Sobald die Gewässer im Winter eine genügend starke Decke aufwiesen, wurde für das Schneiden der Eisplatten und -blöcke von einem Pferd ein Gerät – einer Egge ähnlich – über die Eisfläche gezogen und so die Schnittlinien gekratzt. Entlang dieser sägten die Eisschneider dann die Platten und hievten sie durch den so genannten Eis- oder Schwemmkanal zum heutigen Fischerstrand. Von dort ging´s sofort ab zu den Fleischhauern und Gaststätten. In den Eisgruben der Wirtshäuser hielt sich das gefrorene Nass mitunter sogar bis zum Sommer. Wirte, die eine solche Eisgrube ihr Eigen nannten, durften sich über zahlreiche Kundschaft freuen. Schließlich konnten sie dank dieser sogar noch in der heißen Jahreszeit gut gekühltes Bier ausschenken. Bereits wenig später hielt auch in dieser Branche der Fortschritt Einzug: Am Eisverladeplatz zwischen Kaiserwasser und Alter Donau wurden fünf Häuser der Wiener Eiswerke erbaut und die gesägten, gefrorenen Blöcke zwischengelagert. Sie konnten – je nach Bedarf – bis in den Sommer hinein ausgeliefert werden. 40 voll beladene Pferdewägen verließen das Eiswerk täglich. 1917 schloss dieses endgültig seine Pforten, denn das Kunsteis hatte dem Natureis den Rang abgelaufen.
Quellen: Ingrid Wendl – „Eis mit Stil“, 1979/ Hans Schwödt – „Franz Josefs Land“, 2015