„Rund um g’sund“ annodazumal! von Robert Eichert
„Kalte Donau-Sturzbäder, Kneipp-Malzkaffee aus Stadlau, Wolfrum’s Hirschstettner Kräuterlikör sowie allerlei Frühlingskräuter-Curen“

„Bastian wanderte aus der Stadt hinaus. Der Schnee fiel in dicken Ballen auf die Erde. Er ging über die Brücke, drüben ist das Ufer mit Busch und Wald bedeckt, dort trifft man keine Menschenseele… Nun rannte Bastian am Ufer entlang. Da war eine freie Stelle, von Schilf umgeben. Bastian hatte in Sekunden die Kleider vom Leib und stand nackt im Schneegestöber. Nun trat er ins Wasser. Noch einen Schritt, noch einen! Schwimmen konnte er nicht. Aber Schritt für Schritt ins Wasser gehen, bis es einem an die Knie reichte. Hu, die Kälte! Nun setzte er sich in das eiskalte Wasser. Bis unter die Schultern umspülten die Wellen der Donau seinen zitternden Körper. Er sprang auf. Die Kälte jagte ihn ans Ufer zurück. Er schlüpfte, da er sein Handtuch vergessen hatte, naß in die Kleider und rannte davon. Sehen durfte ihn niemand! Dieser Weg von der Stadt in die kalte Donau mußte sein Geheimnis bleiben! Wie der Körper in Glut kam! Ein unbeschreibliches Wonnegefühl kribbelte ihm über den ganzen Leib…

Noch zweimal in dieser Woche stieg Bastian heimlich in die eiskalte Donau. Einmal wäre er bald in den Eisschollen um ihn herum eingefroren, so schroff war die Kälte. In dieser dritten Nacht fuhr er mit einem Ruck aus dem Schlaf. Sein ganzer Körper glühte; es war ihm, als kreisten in ihm neue Ströme des Lebens; er streckte sich, atmete tief und fiel zurück in einen glücklichen Schlaf… Und nun geschah das Wunder! Er merkte es zuerst an seiner Stimme, die kräftiger wurde. Dann ließ der Husten nach, und Bastian spuckte kein Blut mehr. Nur Reste von Schleim stieß die Natur noch aus, als wolle sie sich von allen ihren Fesseln befreien. Und die Müdigkeit? Bastian mußte lächeln, daß er einst müde war… Nach einem Vierteljahr hatte Bastian frische, rote Wangen und stand mit Auszeichnung an der Spitze seiner Kursgenossen. Professor Merkle begriff gar nicht, was da geschehen war. Mit diesem Kneipp ging eine völlige Verwandlung vor sich. Zu seiner alten Donau aber wanderte Sebastian Kneipp immer noch dreimal in der Woche…“

So, jetzt wissen wir, wer dieser frühe Eisbader anno 1849 war: Sebastian Kneipp, einer der Urväter der Kaltwasseranwendungen, beschrieben im Roman „Kneipp – Ein Mann kuriert Europa“ von Eugen Ortner, 1938. In diesem Buch ließ der Autor den jungen Sebastian darüber sinnieren, dass er wohl der Einzige in ganz Europa wäre, der im Januar zwischen Eisschollen bade. Damals war es Kneipp wahrscheinlich, jetzt sicher nicht mehr, da Eisbaden und Winterschwimmen heute weit verbreitet ist, auch hier im Bezirk. Wer es ausprobieren möchte, jetzt bis Mitte April ist noch eine gute Zeit dafür. Und wenn es einem zusagt, kann man es nach den sommerlichen Badevergnügen einfach nach Belieben bis in den Winter fortsetzen! Befragen Sie aber bitte vorher Ihren Arzt!
Apropos Kneipp, wussten Sie, dass der bekannte und vor allem gesunde „Kathreiner Kneipp Malzkaffee“ ab 1892 auch in der Stadlauer „Malzfabrik Hauser & Sobotka“ hergestellt wurde, der heutigen Stamag? Und Florian Berndl, der Begründer des „Luft-, Licht-, Sonnen-, Sand- und sogar Schneebades“ am Gänsehäufel, der um 1900 auf dieser Insel im alten Donaubett eine Lebensreformkolonie ins Leben gerufen hatte, ließ als Anhänger von Kneipp’s Lehre auch Ansichtskarten mit dessen und seinem eigenen Bildnis drucken.
Bleiben wir kurz bei der historischen Badekultur an der Donau. Wasser nimmt und nahm in der Volksmedizin zu Recht eine überragende Stellung ein. Schon Hippokrates lobte das kalte Wasser, um „das Gleichgewicht der Körpersäfte wieder ins Lot zu bringen“. Der Arzt P. J. Ferro war bereits 50 Jahre vor Kneipp Vordenker und Vorkämpfer der Kaltwasser-Anwendungen – und das in Wien. In seiner Badeanstalt in einem Donauarm konnte man um 1780 auch sogenannte kalte „Sturzbäder“ nehmen. Mittels eines Seils und einer Winde wurde man, nachdem man sich in die Fluten gestürzt hatte, rasch wieder herausgezogen. Ferro in „Vom Gebrauche der kalten Bäder“: „Angegriffen von der Kälte des Wassers, schrumpft jede Fiber der Haut zusammen, neues Leben, so lange ungefühlt durch matte Schlappigkeit, dringt durch den ganzen Körper… Schwache Kinder hab ich auf diese Art gesund und stark gemacht…“ – „Matte Schlappigkeit“? Klingt ganz nach Frühjahrsmüdigkeit, also nichts wie rein ins kalte Nass…

Wasser war im Denken und Handeln der Menschen lange als Zaubermittel gegen Krankheit in Verwendung! Der fließenden Donau, die nicht bloß reinigt, sondern auch „fortträgt“, kam erhöhte Bedeutung zu; namentlich bei der Kulthandlung des „Wegschwemmens“: Eine magische Zeremonie zum Entfernen böser Einflüsse und der dadurch entstandenen Krankheiten. Nach altem Volksglauben konnte man diese Plagen wegschwemmen, wenn man einen Teil der betroffenen Person oder etwas, das mit derselben davor in Berührung war, in fließendes Wasser warf. So goss man den Harn hinein oder übergab abgeschnittene Nägel, Haare oder Kleidungsstücke des Betroffenen dem Fluß, der den Dämon und damit die Krankheit mitnehmen sollte. Das könnten Sie ja gleich einmal ausprobieren und von der Reichsbrücke ihre Frühjahrsmüdigkeit in die Donau pink…! Ob’s wirklich hilft, ist eher fraglich, denn durch das Kraftwerk Freudenau fließt die Donau hier nicht mehr so flott wie früher.
Nun werden die Tage länger, es wird wärmer und zieht uns wieder ins Grüne hinaus. Die Germanen feierten um diese Zeit ihr Hauptfest: Die zeremonielle Anbetung der frisch ergrünten und erblühten Natur. Teile davon haben sich in unserem Osterfest erhalten, das heute noch durchsetzt ist von diesem archaischen Naturkult der Begrüßung des Frühlings. Gründonnerstag und erst recht die Ostereier – Symbol für neu entstehendes Leben. Palmbuschen mit immergrünen Pflanzen werden am Sonntag nach dem 1. Vollmond im Frühjahr geweiht, danach am Kruzifix zum Schutz gegen alles erdenkliche Unheil befestigt. Nach dieser Weihe sollte man damals als generellen Schutz vor allerlei Unbill drei Palmkätzchen schlucken. Es hieß auch, dass das Verschlucken der ersten drei Veilchen, die man fand, das ganze Jahr als Schutzmittel gegen Krankheiten wirke: Uralte Anschauungen über die Kraft der Frühlingsboten, die ja als die ersten Pflanzen des Jahres gegen Eis und Sturm zu kämpfen haben und daher besonders stark sein müssen und damit äußerst heilkräftig. Vielleicht auch gegen die Frühjahrsmüdigkeit?

Machen wir nun einen Frühlings-Spaziergang durch die Lobau und lernen dabei ein wenig die Pflanzenwelt, sowie das magische Denken unserer Ahnen kennen. „Bär(en)lauch macht bärenstark“ – Zwei Tiere beeindruckten unsere Vorfahren besonders: Der Wolf und der Bär, einst auch in den Donau-Auen heimisch. Der Bär galt als fruchtbarkeitsfördender (ge-bär-en) Vegetationsdämon, der mit seiner Kraft die Macht des Winters vertreiben konnte. Diese Seelentiere konnten sich – so glaubte man – in bestimmten Pflanzen verkörpern. Und durch deren Verzehr konnte man sich diese Kraft einverleiben. Eine davon war der Bärlauch – dieser galt als eine der ersten Pflanzen, die am Anfang der Welt erschaffen wurden. Und dieser soll jetzt im Frühling unsere angesammelten „Winterschlacken“ aus dem Körper vertreiben und uns dadurch stärken. Stimmt’s nicht, so schmeckt’s gut, vor allem als Bärlauch-Cremesuppe! Auch das Schneeglöckchen ist ein reichlich blühender Gast der Lobau, ein alter Name lautete: „S(ch)neetropfen“. Von den umliegenden Bewohnern der Au wurden früher Schneeglöckchen, aber auch Maiglöckchen und Veilchen gebrockt, um sich ein Zubrot im nahen „Wean“ zu verdienen.
Ein österreichisches Kräuterbuch von 1901 empfiehlt auch „Frühjahrscuren“: „Es ist erprobt und bekannt, daß sich die Frühjahrscuren mit frischen Kräutern sowie Kräutersäften fast in allen chronischen Krankheiten heilsam zu erweisen imstande sind!“ Auch mit der „Teufelsnessel“: „Diese Pflanze kenn‘ ich, sagte der Teufel und setzte sich in einen großen Brennesselbusch“, aus einem Kräuterbuch des 16. Jahrhunderts. Durchaus für masochistische Rheumatiker und Gichtgeplagte geeignet. Zart besaiteten Seelen sei eher eine „Brennesselcur“ in Form von Suppe oder Spinat anzuempfehlen, sicher ein gesundes Frühlingsgemüse! Aber auch als Pflanzenfrischsaft oder Tee zur Blutreinigung käuflich zu erwerben. Manche sammeln auch gerne selbst vor Ort, deshalb sollte man wissen: Im Wiener Teil des Nationalparks Donauauen, also in der Lobau, ist jegliches Pflücken von Pflanzen verboten. Im niederösterreichischen NP-Teil ist die „Entnahme von geringen Mengen bei Beachtung des Wegegebots“ erlaubt. Bei Groß Enzersdorf sind aber einige Teile der Lobau auch nicht Nationalpark-Gebiet. Vorsicht ist jedenfalls angesagt: Jedes Jahr vergiften sich Kräutersammler durch Verwechslung von Bärlauch mit Herbstzeitlosen oder etwas später auch mit Maiglöckchen.

Vielleicht verspüren Sie und Ihre Liebste auch noch andere Frühlingsgefühle, nur sind Sie momentan leider nicht ganz so fit? Dann könnten Ihnen möglicherweise folgende Pflänzchen gute Dienste erweisen. Der Zeller oder Eppich – die früher ebenfalls gebräuchliche Bezeichnung „Stehwurzel“ sagt schon alles: „Damit dich deine Frau für allemal lieb hat, nimm Eppichsaft mit Honig gestoßen, und schmier den Zagel [Penis] und die Hoden damit ein, so machst Du es ihr wohl, dass sie keinen anderen lieber haben wird als dich.“ Na dann… Oder die „Wilde Karde“, die bei uns an Ackerrändern wächst, wurde ebenfalls als Zauberpflanze für Männer mit schwächelnder Libido gehandelt, ebenso für jene mit wenig Haarbewuchs im Genitalbereich. „Mann“ urinierte auf diese und musste dabei sagen: „Oh Karde, gib mir Haare, wie du sie besitzt, und gib mir einen Zumpf wie ein Schlägel!“ Wir wünschen Ihnen nun ein gesundes Frühlingserwachen…
PS: Dieser Artikel ersetzt weder ärztliche noch naturheilkundliche Beratung, jegliche Haftung ausgeschlossen!
Quellen; E. G. Eder / Bade und Schwimmkultur in Wien / Böhlau 1995
Dr. Heinrich Marzell / Unsere Heilpflanzen / Geschichte und Volkskultur / Lehmann
Verlag, 1922
Autor: Eichert Robert