In Kaisermühlen blüht die Industrie

Manch einer wird sich bei dem Titel denken: „Was soll der Blödsinn? Wo blüht in Kaisermühlen die Industrie?“ Vor allem die alteingesessenen Kaisermühlner wissen jedoch sicherlich, was damit gemeint ist. Es handelt sich natürlich um einen Blick in die Vergangenheit des Bezirksteils, der speziell auch den jüngeren LeserInnen und frisch zugezogenen Kaisermühlnern einen vielleicht unbekannten Teil der Geschichte des Bezirks zeigen soll.  

Der Anfang liegt mehr als 200 Jahre zurück. Um 1800 kamen die ersten Schiffmüller nach Kaisermühlen, im Jahr 1836 wurde durch die DDSG die Dampfschiffstation in Kaisermühlen errichtet – ungefähr dort, wo heute der Polizeisteg die Alte Donau überquert. Durch die Schiffmüller wurden einige Menschen in diesem Gebiet sesshaft – ja, einige Schiffmüller blieben schon damals ganzjährig in Kaisermühlen. Außerdem kam durch die Dampfschiffstation der „Tourismus“ sowie der Warentransport zu uns. 

Tourismus klingt jetzt vielleicht sehr hochtrabend, aber Kaisermühlen war damals tatsächlich so etwas wie das Tor zum Osten. Reisen war damals zu Fuß, per Kutsche oder eben per Schiff möglich. Die Bahn kam erst ein wenig später dazu. Das Dampfschiff stellte zu dieser Zeit von allen Reisemöglichkeiten die bequemste und auch schnellste Art dar, um von A nach B zu kommen. So starteten viele Menschen – also jene die sich damals Reisen leisten konnten – ihre Reisen Richtung Osten in Kaisermühlen. Damit entstanden auch Wirtshäuser, das erste im Jahr 1837, das zweite folgte nur wenige Jahre später. Auf der Donau wurden jede Mengen Waren transportiert, und die DDSG errichtete Lagerhäuser und Wohnhäuser für die Arbeiter – so wuchs die Bevölkerung zu dieser Zeit in unserem kleinen Kaisermühlen beachtlich an.  

Doch 1870-1875 folgte die Donauregulierung. So dringend sie für die Stadt, die Sicherheit und Gesundheit der Menschen nötig war, so tragisch war sie für Kaisermühlen – zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht. Nahezu alles wurde anders. Die Dampfschiffstation war aufgrund des fehlenden Flusses plötzlich ohne Funktion, ebenso konnten die Schiffmühlen mangels Strömung nicht mehr betrieben werden. Die Folge waren zahlreiche Arbeitslose in Kaisermühlen. Während dieser Zeit bekam der Bezirksteil auch den Beinamen „Hungerinsel“. Zeitgleich mit der Regulierung wurde unter dem Bürgermeister Cajetan Felder 1873 auch die Hochquellwasserleitung fertiggestellt und damit für viele Betriebe die Wassernutzung beschränkt. Das traf vor allem die wasserintensiven Färbereien, die Bleichereien und die Wäschereien, von denen einige in Gumpendorf angesiedelt waren. 

Was lag also näher – Umweltschutz spielte damals noch keine Rolle –, als mit diesen Betrieben nach Kaisermühlen zu übersiedeln. Hier gab es jede Menge Wasser, die Donau floss vorbei – zwar auf der „anderen Seite“, aber immerhin – und es gab viele Menschen, die dringend Arbeit suchten.  

Auch wenn die erste Dampfwaschanstalt schon vor Fertigstellung der Regulierung im Jahr 1874 errichtet wurde, setzte der wahre Boom erst danach ein. Der erste große Betrieb, der sich in Kaisermühlen ansiedelte, war die Vereinige Färbereien AG, ein Zusammenschluss viele kleiner Färbereien, mit ihrem Standort in der Schiffmühlenstraße 95. Kurze Zeit später folgte die Firma Edlinger, die aus der Mollardgasse nach Kaisermühlen übersiedelte. Edlinger war mit Abstand der größte Textilbetrieb in Kaisermühlen. Die Firma umfasste zu Beginn den Häuserblock Kaisermühlendamm, Harrachgasse, Schiffmühlenstraße und Gänsehäufelgasse (damals noch Lobaugasse), später dann auch den Bereich bis zur Alten Donau und erreichte final eine Größe von 19.000 Quadratmetern. Edlinger betrieb eine Färberei, Bleicherei und auch die Produktion und hielt außerdem einige Patente. Außerdem betrieb die Firma mit ihrer Dampfturbine den Strom für das erste Kaisermühlner Kino. 

Ein weiterer Großbetrieb in Kaisermühlen war die Firma Chini, die 1895 von Longin Julian Hetzer, ebenfalls einem Textilindustriellen, übernommen wurde. Hetzer erlangte vor allem unter dem Namen „Wiener Reinigungs-Werke“ Bekanntheit. 

Von der Firma Edlinger, deren gesamte Gebäude Ende der 80er Jahre abgerissen wurde, ist in Kaisermühlen nichts mehr zu finden, außer die Bezeichnung „Edlinger Gründe“ für die dort errichtete Anlage der Sozialbau. An F. Hetzer erinnert heute lediglich noch der Rauchfang im Hof des Hauses „Am Kaisermühlendamm 87“. Dabei handelt es sich um jenen Rauchfang, neben dem in einer Folge des „Kaisermühlen Blues“ der Kaisermühlner Ötzi gefunden wurde. Heute ist der Rauchfang leider nur mehr von der Dammkrone aus zu sehen.