Drunt‘ in der Lobau – neues Buch von Historiker und dbz-Redakteur Robert Eichert
Bereits seit 17 Jahren darf ich Ihnen in der dbz als Serienautor Donaustädter Bezirksgeschichte näherbringen. Es freut mich daher besonders, Ihnen hier auch mein erst kürzlich erschienenes Buch „Die Lobau“ vorstellen zu können. Dieses lässt Sie anhand von über 120 Bildern und Texten von anno dazumal bis zur Gegenwart in die wechselvolle/n Geschichte/n der Lobau eintauchen. Der Verlag Winkler-Hermaden stellt für unsere LeserInnen dankenswerterweise 3 Buchexemplare zur Verlosung zur Verfügung. Bei Interesse bitte eine Mail an office@dbz.wien.

Soeben erst erschienen, in der aktuellen dbz schon für Sie aufbereitet – historische Geschichten und Bilder aus dem Buch „Die Lobau“: Rinderherden auf der Insel Lobau, Donauregulierung folgt Donauhochwasser, mit Knüppeln Jagd auf Fasane, k.k. Hofjäger, Malaria in Stadlau, ein Maschendrahtzaun und 20 Groschen Eintritt, Forsthaus mit Milchausschank, Motorboot-Überfuhren, Bäderzug Lobau, Kolonisten und wilde Siedler! Das Buch-Cover zeigt eine Ansichtskarte vom „Bad beim Esslinger Häufl“, in der Zwischenkriegszeit ein beliebtes Au-Bad stadteinwärts der „Esslinger Furt“ gelegen. Heute kann man hier nicht mehr baden, da es gänzlich von Schilf zugewachsen und das Wasser nur mehr knietief ist
Zu unserem Landschaftsbild der „Insel Lobau“ von 1830 ein passender Text aus der Erzählung „Der Prater“ (1844) von Adalbert Stifter, der hier vom Auwald des Praters hinüber zur Lobau blickt: „Auf jener Insel weidet ruhig ein Hirsch, und die Spuren im Lehmboden zeigen, wie sie oft herdenweise hinübergehen; noch weiter draußen an der Spitze der bebuschten Insel steht eine Rinderherde, und es ist, als hörte man einzelne Klänge ihrer Glocken über das Wasser herüberschlagen, aber es ist Täuschung; die Donau ist hier so breit, daß die Tiere nur wie kleine verschiedenfarbige Lämmer herüberschauen.“

Immer wieder verursachen Hochwässer und Eisstöße großflächige Überschwemmungen, oftmals begleitet von Zerstörung und Todesopfern. Dadurch kommt es 1870 in Wien zur großen Donauregulierung, die bis zur Marchmündung fortgesetzt wird. Man gräbt der Donau dafür ein neues Flussbett, viele Wasserarme werden dabei durch Dämme vom zukünftigen Hauptstrom abgetrennt. Die kleineren Altarme sind dadurch heute bereits ausgetrocknet und zugewachsen, oftmals mit Müll zugeschüttet. Die erste Silbe von Lobau lässt sich auf das alte Wort „loh“ für „Wald“ zurückführen. Die zweite Silbe kommt von „ouwe“ und bedeutet „Wasser“ bzw. „Insel“. Früher war die Lobau also ein „Wasserwald“ oder auch eine „Waldinsel“, die von den Donauarmen umflossen und immer wieder überschwemmt wurde! Seit der Regulierung fehlen ihr diese Überflutungen natürlich. Nur die größeren Altarme – der ehemalige Hauptgewässerzug der unregulierten Donau (Alte Donau, Mühlwasser, Groß-Enzersdorfer Arm) bis zum Lobauende in Schönau/Donau – bestehen heute noch. Das Mühlwasser und der Groß-Enzersdorfer Arm wurden schon um 1970 ausgebaggert, da sie durch Wassermangel immer weiter austrockneten und verlandeten! Die Gewässer der Oberen Lobau bekommen heute durch die Wassereinleitung der MA 45 (Dotation Obere Lobau) bereits genügend Wasser zugeführt. Hingegen kann der Unteren Lobau schon in den beiden nächsten Jahrzehnten die Austrocknung drohen, wenn man zu keiner geeigneten Lösung für diese schon lang andauernde Problematik findet. Doch die Vorsichtsmaßnahmen für die Grundwasserbrunnen zur Trinkwassergewinnung verhindern vorerst alle Gegenmaßnahmen.

Durch die Korrespondenz der k.k. Jagdinspektionen mit dem Oberstjägermeisteramt erfahren wir über wildernde Arbeiter und eine „erhöhte Publikums-Frequenz“ in der Lobau (bis 1917 kaiserliches Jagdgebiet) nach der vollendeten Donauregulierung:
„Hohes k.k. Oberstjägermeisteramt! Die ergebenste k.k. Jagdinspektion Aspern erstattet Anzeige, daß die Arbeiter der Donau-Regulierung (siehe Foto) der Lobau immer näher rücken, und viele derselben in den Fasangarten eingedrungen sind, und mit Knüppeln auf Fasane Jagd gemacht haben, selbe wurden durch das energische Auftreten des Zeugjägers Zawadil verscheucht. Es ist zu befürchten, daß diese den Versuch sich Fasane anzueignen wiederholen werden. Der gegenwärtige Fasanjung Simon ist aber phlegmatisch, ohne den gehörigen Diensteifer und ihm allein kann die Überwachung nicht anvertraut werden, daher bittet die k.k. Jagdinspektion den Zeugjäger Zawadil im Fasangarten gnädigst belassen zu wollen. Aspern, den 17. Oktober 1872/ Anton Loos, Insp. Hofjäger“

„Hohes k.k. Oberstjägermeisteramt! Durch die in letzter Zeit entstandenen Ansiedlungen in der Lobau ist die Frequenz des Publikums, überhaupt von verdächtigen Leuten daselbst größer und deren Überwachung schwieriger geworden. Da das in der Lobau isoliert stehende Jägerhäuschen oft halbe Tage aufsichtslos bleibt, dürfte die Haltung eines wachsamen Hundes dazu beitragen, daß nicht alles Gesindel sich dahin wagt. Die ergebenste Jagdinspektion glaubt daher die Bitte zur Haltung eines Hundes wagen zu dürfen. 27. September 1878/ Patzl, k.k. Hofjäger“
„Seine k.k. Hoheit, der durchlauchtigste Kronprinz Erzherzog Rudolf“ beschreibt hier in „Die Donau-Auen von Wien bis zur ungarischen Grenze“ das nach der Donauregulierung bereits stark veränderte Augebiet zwischen Wagramer Straße und Biberhaufenweg um 1880:
„In unmittelbarer Nähe Wiens verschwanden die Auen, welche noch vor kurzer Zeit in voller Pracht bestanden, fast gänzlich. Zwischen der Reichsstraße [Wagramer Straße] und der Staatsbahn und weiter östlich gegen die beiden Biberhaufen zu erstrecken sich kleine Waldparcellen, von Wasseradern, versumpften Tümpeln und Wiesen unterbrochen, die vor kurzer Zeit dichte, wilde Aubestände waren. Jetzt sind diese Kagran-Stadlauer-Auen spärlich bebuschte Stangenhölzer, die den eigentlichen Charakter der Vegetation und des Thierlebens schon längst verloren haben. Wohl verirren sich einzelne Stücke Edelwild bis dahin, doch mit dem Verschwinden der wild emporwuchernden Pflanzenwelt hat sich die Thierwelt mehr und mehr zurückgezogen. Wege durchkreuzen die Waldcomplexe, welche durch den Damm der Donauregulirung ohnedies viel Terrain eingebüßt haben, und ununterbrochener Verkehr von Menschen und Fuhrwerken auf der neuen, die Reichsbrücke mit Aspern und Stadlau verbindenden Straße, sowie der Bau von Gebäuden um den Stadlauer Bahnhof herum nahmen jener Gegend vollends den Charakter stiller Waldeinsamkeit. Ein ähnliches Schicksal wurde auch der Asparner Gemeinde-Au zu Theil.“
Interessantes erzählt uns auch die Stadlauer Chronik von 1904: „Eigentümlich ist das häufige Auftreten von Malariaerkrankungen, deren Ursache wohl in den nahen Donausümpfen und den sich darin entwickelnden massenhaften Stechmücken zu suchen ist. Doch ist zu erwarten, dass die fortschreitende Entwaldung und die damit verbundene Trockenlegung und Urbarmachung der feuchten Auen diesem Übelstande wesentlich [entgegen]steuern werden.“
Bald nach dem Ende als kaiserliches Jagdgebiet (1917) und der darauffolgenden Öffnung für die Bevölkerung umgibt die Lobau abermals ein Zaun, diesmal ein Maschendrahtzaun. Nur durch die „Kommassierungstore“ ist in der Zwischenkriegszeit im Sommerhalbjahr der Eintritt möglich. Bei diesen muss man um 20 Groschen einen Einlass-Schein lösen. Viele bevorzugen daher das Überschwemmungsgebiet, die „wilde Lobau“ mit seinen vielen Donau-Altarmen, da es kostenlos zu jeder Zeit zugänglich ist. 1927 erscheint der „Führer durch die Städtische Lobau“, der den Menschen dieses neu erschlossene Gebiet näherbringen soll. Und das Plakat „WIENER! KENNT IHR EURE LOBAU?“ hängt nun in den Wiener Straßenbahnen um zu einem Lobaubesuch zu animieren. Das „Rote Wien“ hat der Bevölkerung die Obere Lobau zuvor als Ausflugsziel ausgestaltet. Wanderwege wurden angelegt und markiert, Rastplätze gestaltet sowie „Knüppel-Stege“ über Gewässer gebaut. In der Oberen Lobau werden „410 Hektar unproduktiven Bodens dem Ackerbau zugeführt“, wie es im Lobauführer dazu heißt. In der Unteren Lobau bleibt der ganze Wald bestehen, denn diese wird nun von den Bundesforsten verwaltet und kommt erst 1974 in den Besitz der Stadt Wien. Im Forsthaus gibt es ab 1926 eine Milchausschank (siehe Foto), wo man auch Brot und Butter bekommt. Die Milchprodukte stammen von den etwa 200 Kühen, die in der ehemaligen Groß-Enzersdorfer Kavallerie-Kaserne untergebracht sind, die von der Gemeinde Wien dafür angekauft und umgestaltet wurde.

„Kolonien in der Heimat“ nennt sich eine Siedlerbewegung nach dem 1. Weltkrieg – Arbeitslose und Ausgesteuerte, die nicht auswandern, sondern „Innenkolonisation“ betreiben, auch in der Lobau. Nach der Rodung des Augebiets beim Steinsporn zwischen Ostbahn und Biberhaufenweg entsteht eine Ansiedlung (siehe Foto). Mehr erfahren wir darüber in „Der Aufbau des österreichischen Siedlungswesens“, 1933: „Primitivsiedlung Wien-Lobau – Dort überließ die Gemeinde Wien 61 Arbeitslosenfamilien gegen niedrigen Pachtzins eine Fläche von 104 ha, größtenteils Auwald. Die Siedlung entwickelte sich aus den primitivsten Anfängen. Erdunterstände, Wohnhütten aus Kistenmaterial usf. waren die ersten Unterkünfte. Durch unendliche Mühe ist es gelungen Wohnstätten, Ställe etc. zu errichten.
Die Unterstützung erfolgte durch Saatgut, Baumaterial, Kleintiere usw. Die Siedler beschäftigen sich mit Gartenbau und Kleintierzucht. Der Kleintierstand hat sich günstig entwickelt. Bei den meisten ein Stand an 30 bis 50 Stück Legehühnern. Daneben gibt es Gänse und Enten. Einige beschäftigen sich mit Kaninchenzucht, füttern Schweine für den Eigenbedarf. In der Kolonie sind eine Kuh und zwei Kälbinnen zu finden sowie ein Pferd; Ziegen halten Siedler, die Kinder haben. Bei den Gemüsebauern (Ananaserdbeeren, Rettiche, Blumen, Erbsen und Bohnen, Eier, Kartoffel, Zwiebel, Ribisel…) tritt die Kleintierzucht in den Hintergrund. Die Lobauer Siedler sind heute größtenteils in der Lage, sich aus Grund und Boden ihren Lebensunterhalt zu erarbeiten.“
