„Der Zuzug ist die größte Herausforderung“

Im Interview mit dbz-Chefredakteurin Conny Strumberger-Sellner erzählt Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy über Themen, die die Donaustadt 2023 beschäftigen werden. Bildung, Verkehr, Öffis, Wohnbau und die Stadtstraße stehen dabei ganz oben auf der List.

Stadtstraße, Schulen, Öffis, Wohnbau und Verkehr: Was erwartet die Donaustadt 2023? Die dbz hat Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy zu den heurigen Plänen interviewt.

Was waren 2022 die größten Erfolge, und was ist weniger gut gelaufen?

Ein großer Erfolg war sicher das Parkpickerl, das zu einer deutlichen Entlastung des Pendlerverkehrs und für viele freie Stellflächen im Bezirk gesorgt hat. Außerdem wurde und wird das Radwegnetz laufend erweitert, die Öffis wurden bzw. werden ausgebaut und mit der Fußwegekarte LiDo wurde eine Karte präsentiert, auf der man sieht, wo über der Donau man zu Fuß gut gehen kann und wo noch Verbesserungen notwendig sind. Bei der Stadtstraße ist hingegen nicht alles nach Plan verlaufen.

Wie ist der Status quo bei der Stadtstraße?

Trotz der Proteste im vergangenen Jahr wurde bzw. wird der Zeitplan für die Bauarbeiten eingeholt. Das bedeutet, dass die Stadtstraße 2025 fertiggestellt sein soll. Um die Donaustädter endlich vom Durchzugsverkehr zu befreien, ist die Stadtstraße mit Spange und Umfahrung unumgänglich. Zur Situation bei der Abfahrt selbst hat die zuständige Ministerin vor einem dreiviertel Jahr noch gemeint, dass sie die Spange, also die Verbindung zwischen Stadtstraße und Autobahn baut, wenn die Stadtstraße kommt. Derzeit hängt aber alles wieder in der Luft, weil darüber diskutiert wird, wer die Kosten trägt. Außerdem können auch einzelne Baufelder der Seestadt nicht entwickelt werden, solange wir die Stadtstraße nicht haben.

Der Verlauf der Stadtstraße mit dazugehöriger Spange. Geplantes Bauende der Stadtstraße: 2025

Was wird heuer die größte Herausforderung sein?

Der Zuzug in die Donaustadt. Jährlich wächst die Bevölkerung um 4.000 Menschen. Da geht es nicht nur um die Verkehrssituation, sondern um die notwendige Infrastruktur und leistbaren Wohnbau. Viele Flächen werden auch für Industrie und Betriebe gewidmet, um mehr Arbeitsplätze im Bezirk zu sichern. Bei jedem Wohnprojekt gibt es natürlich auch Widerstand von BewohnerInnen. Aber hier muss die Politik die Bürgerinitiative der Wohnungssuchenden sein. Ich verstehe, dass jemand, der ein Haus im Bezirk hat, meint „Ich will nicht, dass bei mir gebaut wird“, aber das geht halt nicht. Die wichtige Frage ist nicht, ob noch Leute zu uns kommen, sondern wie wir den Zuzug bewältigen und wie Wohnen weiterhin leistbar ist.

Die Donaustadt hat die 200.000 Einwohner Hürde geknackt. Gibt es so etwas wie ein Limit?

Das Limit ist noch lange nicht erreicht, wir haben 60 Prozent Grün- und Freiflächen. Das Limit ist erst dann erreicht, wenn es keinen Zuzug mehr in die Stadt gibt.

Welche Öffi-Projekte werden 2023 umgesetzt bzw. in Angriff genommen?

2023 beginnen die Bauarbeiten für die Linie 27, für die Linie 25 sollte die Planung heuer abgeschlossen werden. Hier geht es um Verlängerung von Aspern über den Siegesplatz in die Seestadt und nach Aspern Nord, wo der große Öffi-Knoten entsteht, an dem sich die Linien 27 und 25 treffen. Das geplantes Bauende für die Linie 27 ist 2025.

Häufiger wird kritisiert, dass das Öffi-Netz mit der Infrastruktur nicht mitwächst. Stimmt das?

Definitiv nein! Wir haben beispielsweise die U-Bahnlinie schon vor Seestadt gebaut, damit Arbeiter mit den Öffis zur Baustelle fahren können. Das Busnetz rundherum wird an die Bedingungen vor Ort angepasst. Das kann erst passieren, sobald dort Menschen wohnen. Am Beispiel der Berresgasse heißt das, dass neben die Schule natürlich eine Autobuslinie kommt, sobald alles fertiggestellt ist. Vorher macht es keinen Sinn.

Wie geht der Bezirk gegen überfüllte Öffis vor?

Auch wenn viele das nicht glauben: Nicht immer sind Intervallverdichtungen die Lösung. Der 98A ist zum Beispiel eine der meistbelasteten Linie, die gerade zu Schulzeiten übervoll ist. Sie fährt im fünf Minuten Intervall, da würde auch ein drei Minuten Intervall nicht helfen. Denn sobald ein Bus Verspätung hat, führt das dazu, dass alle Kinder im ersten Bus drinnen sitzen und der nächste leer ist. Oft sind Gelenksbusse eine sinnvolle Alternative. Dafür muss man sich die Straßensituation oder die Stationen anschauen. Und wenn Adaptierungen bei den Straßen im Bezirk notwendig sind, um solche Gelenkbusse einsetzen zu können, werden sie bestmöglich umgesetzt.

Was ist in Sachen Bildung geplant?

Heuer werden zwei neue Schulstandorte eröffnet. Einmal in der Langobardenstraße, wo 17 Volksschulklassen für 425 SchülerInnen und 16 Mittelschulklassen für 400 SchülerInnen entstehen. In der Leopold-Kohr-Straße wird es ab dem neuen Schuljahr 13 Volksschulklassen für 325 Kinder und 19 Mittelschulklassen für 475 SchülerInnen geben. Tatsache ist, dass jedes Donaustädter Kind im Bezirk einen Schulplatz hat – und darauf sind wir stolz.

In der Hausfeldstraße ist die Situation für Radfahrer und Fußgänger prekär. Ist hier eine Verbesserung in Sicht?

Das Problem bei der Hausfeldstraße ist, dass sie im Bereich der Podhagskygasse die einzige Hauptquerung ist, über die zugleich auch der gesamte Baustellenverkehr der Berresgasse und Stadtstraße abgewickelt wird. Hier können Fußgänger und Radfahrer die Straße nur schwer bis gar nicht queren. Für einen Schutzweg gibt es jedoch zu wenig Fußgänger. Stattdessen wird im Frühjahr ein Fahrbahnteiler als Aufstellfläche gebaut, um ein sicheres Queren zu erleichtern.

Gibt es Pläne zur Aufwertung der Wagramer Straße?

2023 wird der Radweg zwischen Kagraner Platz und Donau Zentrum fertiggestellt. Im Zuge dessen wird auch die Wagramer Straße ausgebaut, weil wir in dem Bereich die Schienen nicht mehr benötigen. Die Fahrbahn kommt mittig, es wird mehr Platz für Radwege und Gehwege geben, sicher auch mehr Grün, aber konkrete Pläne gibt es noch nicht. 

Bekommt die Donaustadt 2023 einen Markt?

Ich hätte gern einen Markt, aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass er nicht angenommen wird, wie es vor vielen Jahren am Schrödingerplatz der Fall war. In der Seestadt ist eine Markthalle geplant, dafür sind bereits mehrere Standorte im Gespräch. Würden sich ein paar Standler finden, die einen Standort haben möchten, haben sie jedenfalls die volle Unterstützung des Bezirks.